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Samstag, 09.08.2014
In den Bergen soll es schneien, daher ziehen wir die hochsommerlichen Temperaturen am Issyk Kul vor. Wir finden einen wunderschönen Stellplatz zwischen Aprikosenbäumchen am See. Es sieht fast aus wie am Mittelmeer. Über das Forum der Allrad-LKW-Gemeinschaft hatte uns schon vor einer Weile Andreas aus Flensburg kontaktiert. Er ist gerade ebenfalls in Kirgistan und würde sich gerne mit uns treffen. Wir geben ihm unsere Koordinaten durch. Kaum eine halbe Stunde später fährt er mit seinem eigelben Mercedes 209 D rumpelnd durchs Gebüsch. „Tach, hier bin ich!“ Andreas ist Mitte vierzig und ein humorvoller Typ. Ich denke, wir werden gut miteinander auskommen. Außerdem sind wir ausgehungert nach Kontakten zu anderen Reisenden. Es ist schön, mal eine außenstehende Person dabei zu haben. Da zeigt sich jeder von seiner besten Seite. Das Morgenmuffel/Laus-über-die Leber/Griesgram-Gesicht wird für eine Weile eingepackt…
Sonntag, 10.08.2014
Ein richtig guter Tag ist es, wenn ich eigentlich gar nichts schreiben muss…weil nichts passiert. Nur so viel, die Muse küsst mich, und ich schnitze kleine Figuren aus Treibholz.
Obwohl, eigentlich war doch was. Gleich am frühen Morgen müssen wir unseren Traumplatz räumen. Irgendein unfreundlicher Kirgise mit Bundeswehrgehabe und pseudo-offiziellem Ausweis vertreibt uns. Aber da wir ein paar Kilometer westlich einen ähnlich schönen Platz finden… Schwamm drüber.
Montag, 11.08.2014
Die Jungs möchten unbedingt weiter. Schade, denn ich bin ja Fan von Lagertagen. Nur ein paar Kilometer von hier gibt es ein Hinweisschild zum sogenannten „Fairytale Canyon“. Der Eintritt in das Areal kostet pro Nase 50 Som, also ca. 70 Cent. Wir sind zwar nicht die Einzigen hier, aber in dem weitläufigen Labyrinth aus naturgeformten Sandstein-Skulpturen, kann man trotzdem gut seiner eigenen Wege gehen. Grüne, gelbe und rote Sandschichten verleihen den bizarren Objekten einen zusätzlichen Reiz.
Außerdem scheint die Pflanzenwelt eine besondere zu sein, sicherlich bedingt durch das spezielle Klima. Im Canyon hat es wahrscheinlich geschätzte 50 Grad. Da wachsen seltsame schwarze Zungen aus dem Boden. Vielleicht ein Schmarotzer? Und auch sonst gibt es hier Gewächse, die wir bisher so noch nicht gesehen habe. Ich würde sagen: Ein klassischer Fall für meine wissenschaftlichen Mitarbeiter in Deutschland. Liebe Karin, lieber Uli, bitte schreitet zur Tat!
Von zwei Berlinern haben wir vor ein paar Tagen einen Stellplatz-Tipp am westlichen Ende des Issyk-Kuls erhalten. Hier ragt eine hakenförmige Landzunge in den See, sie ist für heute unser Ziel. Doch die Enttäuschung vor Ort ist groß. Na, wir hätten wohl stutzig werden sollen, als uns die zwei von Salzfahnen und tiefen Spurrillen erzählten. Der Ort erinnert uns einfach verdächtigt an den Alaköl in Kasachstan: Schwarzer Sand, Salzkrusten, Schilfbewuchs, sogar der Geruch (so leicht fischig-alkalisch) stimmt. Böse Erinnerungen an unser Einsumpferlebnis werden wach. Diesmal sind wir schlauer. Wir legen den Rückwärtsgang ein und treten den geordneten Rückzug an. Ist ja auch Geschmackssache, so ein Stellplatz. Im Vergleich zum Mittelmeerfeeling von gestern kann das Brackwasser hier – unserer Meinung nach – auch nicht mithalten.
Die Sonne geht aber gleich unter, und wir wissen nicht, wo wir heute übernachten können. Wir versuchen es ein paar Meter weiter östlich. Dort deutet der Baumbewuchs auf festeren Untergrund hin. Eine Familie renoviert gerade ein Haus unweit des Strandes. Wir fragen nach, ob wir denn nebenan parken dürften. Eine Frau Mitte Vierzig textet mich ohne Punkt und Komma auf Russisch zu. Ungefähr so: „Na, gefällt Dir der Strand? Gefällt Dir der Strand denn nicht? Hast Du schon den Strand gesehen? Gefällt er Dir nun…?“ Und so weiter … Ich hatte noch nicht mal Gelegenheit, den Strand anzusehen.
Ihre Mutter, eine fiese, alte Hexe mit einem Schachbrettmuster von Goldzähnen im Gesicht, ist gleich noch schlimmer. Sie möchte Geld von uns. Ist ja auch o.k., soll sie haben. Aber ein Preis, für den man hier ein Hotelzimmer mieten könnte, ist dann doch etwas übertrieben. Von den Männern vorgeschickt, kommt mir die undankbare Aufgabe zu, mit den Damen zu verhandeln. Besonders die Oma ist ein harter Brocken. Sie gibt vor zu weinen, angesichts meines ruchlosen Geizes. Als die Show nicht zieht, verflucht sie mich und verdammt mich mit dem „Bösen Blick“. Entnervt und verärgert wende ich mich ab. Der etwa zwanzigjährige Enkel, der bisher etwas peinlich berührt das Spektakel verfolgt hat, mischt sich nun ein. Er schafft es, die Wogen zu glätten, und wir werden uns handelseinig. Meine Laune ist trotzdem dahin. Vielleicht kann man das an dieser Stelle für das Protokoll festhalten: Die Männer verhandeln in Zukunft mit den Frauen und ich mit den Männern! Ausnahmen bestätigen die Regel. (In streng muslimischen Ländern ist es sicherlich klug, wenn Männern mit Männern verhandeln).
Dienstag, 12.08.2014
Nachts haben uns die Mücken geplagt. Und mich hat außerdem der böse Blick der Babuschka verfolgt. Daher ist sich unsere Gruppe einig, dass wir wieder 70 Kilometer zurück, in Richtung altem Strandstellplatz, fahren. Manchmal weiß man eben erst im Nachhinein, wie schön man es hatte.
Die Landschaft hat nun schon eindeutig einen herbstlichen Anklang. Wir kommen durch eine rötlich-braune Steinwüste. Rotorange Beeren leuchten im graublauen Ephedrakraut. (Die Beeren der Meerträubelpflanze werden hier übrigens auch gegessen. Sie schmecken muffig süß. Höchstwahrscheinlich wirken sie anregend, da der Wirkstoff Ephedrin enthalten ist, ein Dopingmittel.) Dazwischen blüht es großflächig lavendelfarben. Eine andere Pflanze produziert wollige weiße Samenkugeln. Mit gelben Fäden überwuchert ein Schmarotzer rücksichtslos andere Wegesrandbewohner. Und am Horizont eine ausgeblichene Fototapete: Die schneebedeckten Gipfel der Vier- und Fünftausender. Kitsch pur!
In den Dörfern hängen die Bäume voller Aprikosen. Sie schmecken herrlich, süß und säuerlich zugleich. Ein Anflug von Wehmut erfasst mich: „Hey, kann es sein, dass wir schon seit einem halben Jahr unterwegs sind?“
Der Abend hält noch eine Überraschung für uns bereit. Als ich vor dem LKW sitze und den Sonnenuntergang betrachte, höre ich plötzlich ein Schreien aus dem Gebüsch. „Möwen?“, denke ich mir. Aber weit und breit ist kein Vogel zu sehen. „Komisches Geräusch…“, überlege ich weiter. Auch Sidi wird ganz unruhig und spitzt die Ohren. Als ich ein kleines braunes Tier zwischen den Büschen herum wuseln sehe, ist mein nächster Gedanke: „Hamster???“
Es ist ein Hundewelpe, winzig klein und noch mit geschlossenen Augen, der da um Hilfe schreit. Heppo, Andreas und ich machen uns auf die Suche nach weiteren Hundebabys. Tatsächlich finden wir kurz darauf noch einen zweiten in einer Wodkaschachtel am Straßenrand. Dieser ist ungefähr doppelt so dick wie Nummer eins und hat die Augen geöffnet. Ach, herrje, das hat uns gerade noch gefehlt, zwei hilfsbedürftige Wesen. Aber liegen lassen kann man die beiden ja wohl nicht. Also packen wir sie in unseren LKW und beginnen mit der Fütterung: verdünnte Kuhmilch, Haferbrei, aufgeweichtes Trockenfutter, hartgekochtes Ei, Kamillentee. Die beiden sind kleine Fressmaschinen und schmatzen richtig laut. An Schlaf ist kaum zu denken, weil sie alle zwei Stunden aktiv werden. Unser Essen schmeckt ihnen, und vertrauensvoll kuscheln sie sich in unsere Arme, die bis zu den Achseln mit Haferbrei verschmiert sind. Sidi ist genervt. Angewidert verzieht er sich ins hinterste Eck und verdreht die Augen. Hilfe, Babyalarm! Wir sind kurz davor, uns zu verlieben. Aber drei Hunde geht ja gar nicht. Wir müssen die Kerle so schnell wie möglich wieder los werden. Nur wie?
Mittwoch, 13.08.2014
Das Glück ist uns hold – und auch den Hundekindern. Die ersten, die wir ansprechen, sind ein junges Ärzteehepaar aus Bischkek, die am Issyk Kul mit ihrem Sohn Mansour Urlaub machen. Karina, Gynäkologin, erklärt sich sofort bereit, die zwei Kleinen weiterzuvermitteln. Ihr Mann Tahkir, ein Zahnarzt, schaut zwar etwas weniger erbaut, wagt aber keinen Widerspruch. Ich falle der russischsprachigen Kirgisin spontan um den Hals und drücke ihr einen Schmatz auf die Wange.
Die beiden kommen am späten Nachmittag noch einmal vorbei. Sie bringen Bier und Chips mit und die gute Nachricht, dass eine Nachbarin die beiden Hunde zu sich nimmt. Juhu! Außerdem ist es auch mal schön, mit Leuten aus Bishkek in Kontakt zu kommen. In der Hauptstadt haben sie Medizin studiert. Diese Fakultät ist angeblich so renommiert, dass sich dort Menschen aus ganz Zentralasien und auch aus Afrika um einen Studienplatz bewerben. Der Unterricht findet auf Englisch und Russisch statt. Umgekehrt finden sie es ebenso spannend, mit „Travellern“ in Kontakt zu kommen.
Andreas aus Flensburg ist inzwischen abgereist, irgendwie stimmte die Chemie doch nicht so richtig.
Dafür gesellen sich am späten Nachmittag Michael mit Tochter Laura im Pinzgauer dazu. Der Ökoarchitekt aus Graz und die Architekturstudentin sind uns auf Anhieb sehr sympathisch.
Donnerstag, 14.08.2014
Leider kommt wieder ein Kontrolleur, und wir müssen umparken. Michael und Laura fahren weiter nach Karakol, und wir bleiben am Straßenrand. Wir überlegen, mit den beiden eventuell den Pamir-Highway zu fahren. Sie haben die gleiche Route und einen ähnlichen Zeitplan wie wir. Das wäre fein.
Und hier gibt es noch ein paar Fotos von einer verfallenen Hotelanlagen am See. Ich mag sowas ja…
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Und das war zuvor: Barskoon Pass