Sehr deutsch verordne ich mir strenge Selbstdisziplin für die nächsten Tage: 7.30 Uhr Aufstehen, Frühstücken, Schreiben bis Mittag, dann Sight-Seeing. Abends wieder Schreiben. Früh ins Bett.
Der Start geht schon mal schief. Zwar stehe ich früh auf, verplempere aber dann den ganzen Vormittag mit Verschwörungstheorien und Videos aus dem Internet. Verbuch’ ich jetzt einfach mal unter “Recherche”.
Pünktlich nach Plan breche ich zum Stadtrundgang auf und laufe die wichtigsten Monumente und Sehenswürdigkeiten ab. Als erstes liegt ein mächtiger grüner Kuppelbau auf meinem Weg. Das quadratische Gebäude war erst eine Kirche, dann Moschee, dann wieder Kirche. Im Inneren findet man nun eine einzigartige Mischung aus beiden Religionen: Muslimische Mihrab neben christlichem Altar. Weit sichtbar von außen thront das Kreuz über dem türkischen Halbmond.
Im Weitergehen fluche ich über meinen mir selbstauferlegten Tagesablauf:
„Was für eine bescheuerte Idee, in der größten Mittagshitze durch die Stadt zu laufen!“
Doch ganz brave Bildungsbürgerin sage ich „Oh, fein!“ zum Elefantenhaus, setze mich in die Ruinen des römischen Bades, schieße ein “Selfie” mit Hassan Jakovki vor der Moschee, steige auf die Bastei der Befestigungsanlage, die Barbakane, schlendere durch den bischöflichen Garten, grüße die Statue von Franz Liszt (der hier Ferenc Liszt heißt) und lege meinen Kopf vor der riesigen Kathedrale in den Nacken. Alles sehr schön und beeindruckend.
„Jetzt langt es mir aber!“
In einem Kert (Biergarten) trinke ich eine dieser leckeren, selbstgemachten Limos, die es hier überall zu kaufen gibt, mit echten Früchten, Sirup, Mineralwasser und viel Eis!
Frisch gestärkt betrete ich nun das Csontváry-Museum. Tivadar Kosztka Csontváry (1853-1919) startete seine berufliche Laufbahn eigentlich als Apotheker, als er mit circa 40 Jahren plötzlich eine Stimme vernahm, die ihm sagte:
„Du wirst der größte Maler des Sonnenwegs…“.
Flugs verkaufte der erfolgreiche Geschäftsmann seinen Laden und widmete sich ab sofort der Kunst. Erst zog er nach München, um dort Zeichenkurse zu besuchen, kehrte der akademischen Welt jedoch bald den Rücken zu, um nur noch zu reisen und zu malen. Er besuchte Dalmatien, den Libanon, Syrien, Palästina, Jerusalem, Ägypten, Marokko und wiederholt Italien. Seine Landschaftsbilder sind bunt, eindringlich lebendig und auf seltsame Art bewegt und bewegend. Schwer zu beschreiben, aber durch die Ölschichten hindurch bedrängt den Betrachter eine „Realität“ hinter der Realität.
Leider blieb Csontváry zu Lebzeiten jegliche Anerkennung verwehrt. Seine berühmten Kollegen, mit denen er im Caféhaus in zusammentraf, verlachten ihn sogar. Einsam und verrückt starb er mit 66 Jahren in einem Krankenhaus in Budapest.
Seine Erben machten sich schleunigst daran, die Gemälde für den blossen Wert der Leinwand zu verscherbeln. Doch ein Zufall kam den Bildern zur Rettung. Der junge Architekt Gedeon Gerlóczy erkannte ihre Bedeutung und kaufte sie allesamt. Heute gilt Csontváry als einer der wichtigsten ungarischen Maler. Tolle Geschichte, oder?
Zurück in der Wohnung warte ich vor meinem Laptop sitzend darauf, dass vielleicht auch zu mir eine Stimme spricht und ich am besten einfach alles nur noch notieren muss.
Ich warte…
und warte…
und warte immer noch…
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Und das war vorher: Die ungarische Hitze