Am Campingplatz fallen uns außer den Berlinern, die eigentlich aus Bonn stammen („Wer kommt schon aus Bonn?“) nur noch eine Gruppe französischer Punks auf. Sie sitzen vor ihrem LKW und Kleinbus, trinken Dosenbier, hören Punkrock. Ab und zu gibt es einen Hundekampf, der mit lautem Schreien beendet wird.
Heppo lässt sich nicht abschrecken und spricht die vier an. Die Punks haben offensichtlich nur auf die Abwechslung gewartet und beziehen sogleich vor unserem Lastwagen Quartier, den sie begutachten. Sie bewundern, wie gut unsere Frau Scherer gefettet ist (T‘as vu, comme c‘est propre, la graisse?“). Alice und Renaud, Guiboule und Nico beschließen sofort, mit uns noch heute aufzubrechen. Da wir auch genug vom Campingplatz haben, fahren wir mit. Es endet damit, dass wir voraus fahren müssen, weil die anderen zu bekifft und betrunken sind, um mit dem Lastwagen aus Chefchaouen heraus zu finden.
Wir finden einen schönen Platz in einem windigen Oued, unweit von Chefchaouen, und verbringen einen sehr lustigen und unkomplizierten Abend im liebevoll ausgebauten Mercedes- Lastwagen von Alice und Renaud. Alice ist auch Grafik-Designerin, Renaud Elektriker, die beiden kommen gerade aus Indien. Nico lebt mit Punks am Wagenplatz in Marseille. Guiboule, aus Paris, ist zu betrunken, um mehr Informationen über sich preiszugeben: Er schläft vornüber gebeugt auf der Bank.
Unsere Gastgeber erweisen sich als äußerst amüsant und zuvorkommend – ganz im Gegensatz zu ihrem Aussehen – und legen extra für uns Nina Hagen auf. Ich habe immer wieder Spaß daran, Französisch zu sprechen, und Heppo hat auch Lust auf Franzosen und auf Französisch sprechen. Unser Bärwurz (Schnaps aus dem Bayerwald) wird gut aufgenommen, und glücklich gehen wir ins Bett.
Da wir leicht planlos sind, fahren wir am nächsten Morgen einfach mit unseren neuen Freunden weiter. Am Abend landen wir in Kénitra, einer smogigen Hafenstadt am Atlantik, mit vielen Storchennestern, nördlich von Rabat: Kurs Freetek / Sylvesterparty in Tafraoute. Dort kennt Guiboule, eigentlich Guilloume, einen Marokkaner Hamid, bei dem wir übernachten können. Dieser will unsere Lastwagen unbedingt in einen schmalen Zufahrtsweg zwischen Mauer und Opuntienhecke lotsen. Wir bestehen darauf, nicht weiterzufahren: Unser Frau Scherer ist schließlich frisch lackiert. Am Lagerfeuer kochen wir gemeinsam Tajine. Für die Franzosen gibt es Tajine mit Hühnchen, für uns die vegetarische Variante, weil Heppo kein Fleisch mehr essen mag, seit er Hundebesitzer ist. Die Franzosen warten extra darauf, bis auch unser Essen fertig wird und quälen sich in franzosentypischer Weise vor ihrem Essen. Wirklich süß, die betrunkenen Punker.
Aber die Stimmung ist verhalten, alle sind etwas müde und fertig von den Feierlichkeiten. Hamid beschallt uns mit Hitradiomusik aus Casablanca und kommandiert seinen kleinen Bruder Hassan durch die Gegend. “Hassan, hol Zigaretten! Hassan, hol ein Verlängerungskabel für das Radio! Hassan, hol dies! Hassan, hol das!”
Nach dem Essen ab ins Bett. Noch schnell vor die Opuntienhecke pinkeln. Hoffentlich ist das, worauf ich trete, kein toter Esel. Aua, das piekt! Gute Nacht!