Musikempfehlung: Was die Fischer bei Sidi Rahal tatsächlich jeden Abend am Strand hören:
Nathalie, Tombe la neige
Nach zwei Tagen voll marokkanischer Gastfreundschaft und Stadtleben sind wir froh, dass wir wieder weiterfahren und unser eigenes Ding machen können. Auch für Sidi ist es schöner, wenn wir uns draußen aufhalten. Wobei auch die Natur manchmal Nachtteile hat: An jedem Platz umringen uns sofort drei bis vier Straßenköter und warten auf ihren Anteil von unserem Essen. Zum Glück sind die marokkanischen Hunde eher ängstlich und so gut wie nie aggressiv. Auch Sidi nähern sie sich meist schwanzwedelnd und neugierig zurückhaltend. Dabei fällt uns immer wieder auf, wie sehr unser Hund einer von ihnen ist. Alle sehen aus wie er, haben den gleichen, eher melancholischen Blick und sind echte Angsthasen. Auch wenn wir als stolze “Eltern” natürlich gerne glauben möchten, dass unser Liebling etwas ganz Besonderes ist, so ist er doch ganz unverkennbar ein typischer Marokkaner.
Ganz intuitiv finden wir einen schönen Strandplatz bei Sidi Rahal, etwa 30 Kilometer vor El Jadida, an dem ausnahmsweise mal keine anderen Hunde lagern.
Auf dem Parkplatz stehen bereits zwei Fahrzeuge aus Deutschland. Max ist unterwegs mit einem schweren Rundhauber und Nadine und Adrian mit einem 508er Mercedes Benz.
Die kleine Gruppe aus Hamburg ist etwas verunsichert, weil sie bisher überall immer wieder weggeschickt wurden. “Aus Sicherheitsgründen!”, wie es stets hieß. Dies sei der erste Platz an dem sie halbwegs unbehelligt stehen dürfen. Nur abends schaltet die Gendarmerie das Flutlicht ein. So sei es besser. Auch uns ist bereits aufgefallen, dass Marokko in den letzten Jahren offensichtlich etwas paranoider geworden ist. Wild campen ist vor allem im Norden schwierig geworden. Zu groß ist die Angst vor terroristischen Attacken und Gewalttaten, wie im Dezember 2018, als zwei Skandinavierinnen erstochen in den Bergen aufgefunden wurden. Für Marokko, ein Land, das nicht schlecht vom Tourismus lebt, sind derartige Vorkommnisse natürlich ein absoluter Horror. Auch die Routen der Drogenschmuggler und der Bootsflüchtlinge verlaufen über den Nordteil Marokkos, über den Atlantik und das Mittelmeer. Meine Vermutung: Deshalb versucht nun ein Heer von Polizisten, die wilden Camper einzufangen und an überwachten und gesicherten Plätzen zu bündeln. Wir fühlen uns trotzdem meistens sicher und haben ein gutes Gefühl für unsere Übernachtsorte entwickelt. Die Hamburger, die allerdings zum ersten Mal in Marokko sind, sind deutlich misstrauischer. Bei jedem Fischer, der mit seinem Auto vorfährt, zucken sie nervös zusammen.
Nach anfänglicher hanseatischer Zurückhaltung tauen die drei zumindest uns gegenüber deutlich auf. Als Heppo am Abend auch noch seinen Geburtstagsrum auspackt, haben wir fast so etwas wie eine kleine Party. Nadine und Heppo lachen gerade über eine Sprachlern-App, mit der beide versuchen, Französisch zu lernen. Die App sei doch sehr eintönig, schimpft Nadine. Immer würden die gleichen Sätze und Wörter wiederholt. „Stimmt!“, pflichtet ihr Heppo bei. „Wann braucht man denn schon den Satz ‚Un homme et une pomme‘ “? „Das komme doch dauernd vor!“, meint Nadine ironisch.
Wir haben nicht mal Zeit das Thema zu wechseln, als einer der Fischer aus dem Halbdunkel heraustritt und Heppo eine Plastiktüte mit zwei Äpfeln in die Hand drückt.
„Un homme et deux pommes!“, bedankt sich Heppo schlagfertig. Es sind diese Momente auf Reisen, die ich einfach liebe: Wenn das Universum beweist, dass es auch Humor hat.