Bambara lernen: westafrikaportal.de/deutschbambara
Musiktipp: Rokia Traore – Tu Voles
Nun also: Mali. Mali, das Land, vor dem uns alle warnten. Mali, das Land, in dem Krieg herrscht. Mali, das Land, in dem die Franzosen unter François Hollande vor ein paar Jahren interveniert haben. Mali, das Land, in dem die Dschihadisten den Norden kontrollieren. Mali, das Land, in dem das Chaos herrscht…
Es heißt aber auch: Mali, das Land, aus dem wunderschöne Musik kommt. Mali, das Land, das vielleicht sogar der Ursprung aller Musik ist.
Durch Mali und Burkina Faso führt für uns außerdem der „schnellste“ Weg in den Süden. Eine Durchquerung von Burkina Faso haben wir aber definitiv für uns ausgeschlossen. Zu akut und zu aktuell sind hier die Nachrichten von Entführungen, Terror- und Todesfällen. In Mali scheint das Risiko allerdings kalkulierbar zu sein. Der dicht besiedelte Süden gilt als relativ sicher, der dünn besiedelte und wenig entwickelte Norden ist dagegen mittlerweile eine No-Go-Area, selbst für die Einheimischen. Räuberbanden kontrollieren die Straßen, und Islamisten regieren die Städte mittels der Sharia. Ein halbes Land ist auf der Flucht. Die Menschen gehen entweder in den Süden, in die Hauptstadt Bamako, oder sie fliehen in ein anderes afrikanisches Land oder gleich nach Europa. Darunter befinden sich viele Musiker, Intellektuelle, Schriftsteller, Künstler und Denker. Es ist ein fürchterlicher Exodus!
Die, die ausharren, haben sich arrangiert, haben Arbeit und Broterwerb gefunden im Krieg, akzeptieren das grausige Geschäft mehr als den Hunger. Viele schätzen sogar die Strukturen, die die Islamisten installierten – Rechtsprechung und Ordnung – egal, wie grausam, egal, wie hart. Zurück bleiben aber auch die Schwachen und die, die keine Wahl haben. Das sind die Frauen, deren Männer im Exil versuchen, Geld zu verdienen. Sie führen mit ihren Kindern ein prekäres Leben in Deckung und warten auf bessere Zeiten, die vielleicht so schnell nicht kommen werden.
Das ist es, was ich gelesen und gehört habe. Westafrika allgemein ist eine schwierige Reiseregion. Nichts für Anfänger! Nicht ungefährlich! Politisch vieles im Umbruch: Islamisten, Krieg, Korruption. Und es gibt schlimme Krankheiten – Malaria, Ebola – und schreckliche Armut… Man hat uns gewarnt!
Als wir nun so auf die Grenze von Mali zufahren, ist uns daher etwas mulmig zumute. Innerlich verfluche ich unsere Abenteuerlust und Naivität. Bei der Ausreise aus Mauretanien müssen wir auch noch ein Dokument unterzeichnen, das uns darauf hinweist, dass wir auf eigene Gefahr nach Mali einreisen und wir Mauretanien jeglicher Verantwortung für uns entbinden. Nun verdichtet sich meine Nervosität zu echter Besorgnis. „Eine reine Formalität!“, sagt der Beamte, als einer meine Angst registriert. “Auf der anderen Seite ist alles ruhig. Kein Problem.“ Es ist kurz vor 12 Uhr mittags, als wir in Mali einchecken. Wir haben seit Mauretanien die Erfahrung gemacht, dass diese Zeit gar nicht so schlecht für einen Grenzübertritt ist, da für die Beamten meist schon das Essen auf dem Tisch steht. Weil keiner damit warten möchte, werden möglichst schnell alle Formalitäten abgehackt.
Auf der malischen Seite lümmeln die Grenzer mit hochgelegten Beinen im Schatten auf Stühlen und Liegen unter Verschlägen aus Palmwedeln herum. Alle sind nett und sehr freundlich; man macht es uns einfach und legt uns keine Seine in den Weg. „Wie geht‘s?“, höre ich stattdessen. „Herzlich willkommen in Mali!“
Weil ich mir vorgenommen habe, ab sofort mehr Fragen zu stellen, fange ich gleich mal damit an, mir etwas Bambara (neben Französisch die gemeinsame Landessprache) beibringen zu lassen. Was ich lerne, ist Folgendes: Die Bambara scheinen es mit der Begrüßung sehr genau zu nehmen. Man muss z.B. ein “stundenlanges” Zeremoniell einhalten: Wie geht es Dir? Wie geht es Deiner Familie? Wie geht es diesem? Und wie geht es jenem? Darüber hinaus wird auch ganz genau nach der Tageszeit unterschieden: I ni sOgOma! (Du und der Morgen!) sagt man für Guten Morgen, I ni tile (Du und die Sonne!) am Mittag, I ni wula (Du und der Nachmittag!) heißt es etwas später, und nach Sonnenuntergang wünscht man sich I ni su (Du und die Nacht!) für Guten Abend. Mit kleinen Vokabelzetteln kehre ich fröhlich zu Heppo zurück, der im Auto auf mich wartet. „Alles gar kein Stress! Wir dürfen gleich weiter.“
Den Schlagbaum, der uns noch von Mali trennt, muss ich schließlich selber öffnen. Irgendwie mag niemand aufstehen. Die Jungs winken uns noch lässig von ihren Liegen nach.
Ehrlich gesagt, der erste Eindruck von Mali ist so ziemlich anders, als ich mir ein Land im Ausnahmezustand vorgestellt habe. Er ist tiefenentspannt.