In der weltbekannten Windsurferstadt Dakhla möchten wir noch einmal vor dem Grenzübertritt nach Mauretanien unsere Wasservorräte auffüllen. 15 Kanister à 10 Liter haben wir an Bord, doch die sind fast alle leer.
Am eigentlich sehr hübschen Strandabschnitt PK 25 wohnen seit vielen Jahren Wohnmobilrentner aus Frankreich. Mit Zäunen, Plastikteppichen und Satellitenschüsseln haben sie das Terrain um ihre fahrbaren Eigenheime abgesteckt, rein rechtlich aber handelt es sich bei dem Strand um öffentliches Gelände, das diese Dauercamper wie einen Privatbesitz verteidigen. Sogar fließendes Wasser haben sie hier, das sich aus einer schwefliges Quelle speist. Ich mache mich an das Auffüllen unserer Brauchwasserkanister. Dem älteren, schwarzbraun gebrannten Franzosen in schwarzem T-Shirt und kurzer Militärhose geht das aber offenbar zu langsam. Ohne mich zu fragen, dreht er den Wasserhahn so auf, dass das Wasser über mein Kleid und meine Schuhe plätschert. Was für ein Rüpel! Ein Gentleman der guten französischen Schule ist das wohl nicht! Ich gehe weg.
Sollen diese griesgrämigen und missgünstigen Franzosen doch in ihrer kleinen spießigen Welt mit ihrem Schwefelwasser vor sich hinmüffeln. Wir müssen sowieso besseres Wasser finden.
Das soll es für Touristen angeblich im Chateau d‘eau (Wasserschloss) am Rande der Innenstadt geben. Wir haben vorab schon von anderen Reisenden gehört, dass das Prozedere in Dakhla nicht einer gewissen Komik entbehrt. So sind wir aber bereits vorgewarnt und wissen, dass wir zuerst durch ein kleines Loch in der Mauer rufen müssen. Tatsächlich streckt dort sogleich ein junger, lustiger Mann seinen Kopf heraus. Leider kann er aber nur wenig Französisch. So viel wird aber klar: Um hier Wasser zu erhalten, wird ein Bezugsschein benötigt. Woher wir diesen allerdings bekommen sollen, kann er mir nicht erklären. Nur vage deutet er nach links, entlang der Hauptstraße.
Ich bemerke vor allem immer zu Beginn einer Reise, wie wichtig es ist, aufmerksam zu sein, Informationen an den richtigen Stellen zu erfragen, zu erinnern und in Bezug zueinander zu setzen: Fähigkeiten, die in unserer Welt oft nicht mehr sehr entwickelt sind, da wir zu sehr abgelenkt werden von all den elektronischen Medien, die unsere Aufmerksamkeit nicht bündeln, sondern sprunghaft von einer Sache zur anderen verschieben. „On the road“ lernen wir aber immer wieder schnell, besser zu beobachten. Nach über einem Monat unterwegs sind unsere Sinne also bestens geschärft.
Und so gehe ich zielsicher in das Gebäude schräg gegenüber, auf dem eine kleine marokkanische Flagge weht. Im zweiten Stock sitzt Monsieur Rachid an einem großen Schreibtisch in einem kleinen, dunklen Raum.
„Bonjour! Salam. Lebes. Becher. Al Hamdulilah!“, geht unsere Begrüßung nach Landessitte hin und her. 1000 Liter (weniger geht nicht) werden mir in 5 Coupons à 200 Litern zugeteilt, für nur 15 MAD. Der verschmitzte Mann ist mir sympathisch und ich ihm umgekehrt auch. „Die Deutschen und Engländer sind immer angenehm und freundlich!“, plaudert der oberste Wasserzuteiler nun munter aus dem Nähkästchen. Aber diese Franzosen seien “pas terrible”*. Wegen 1,50 Euro (für 1000 Liter!) würden die immer einen Aufstand machen, es sei kaum auszuhalten. Nach meinem Erlebnis mit dem rabiaten Wasserhahnaufdreher glaube ich Monsieur Rachid sofort. Ich nicke verständnisvoll: „Wirklich, pas terribel!“ Als ich nach Kleingeld krame, winkt er ab. „Geschenkt!“
Freudig halte ich dem lustigen Mann am Loch in der Wand kurz darauf einen der fünf Scheine unter die Nase.(Wir brauchen ja nur etwa 80 Liter.) Er stellt sich doof, und eine gemeinsame Sprache haben wir nicht. Doch auch hier überwiegt wieder die Sympathie : Wir dürfen unsere Kanister auffüllen.
Für unsere neuen Reisebekannten aus Hamburg, die etwa fünf Reisetage hinter uns ebenfalls in Richtung Mauretanien unterwegs sind, hinterlassen wir einen kleinen Schatz: Unter einem Baum gegenüber der Wasserstelle verscharren wir ein altes Kapernglas und markieren die Stelle mit zwei blauen Steinchen. Darin enthalten: ein Wasserbezugsschein für „eau potable for tourists“.
* Anmerkung: “pas terrible” bedeutet in der Umgangssprache tatsächlich etwas anderes, als man normalerweise übersetzen würde. Damit meint man “nicht so toll”, “nicht gerade gut”, auch “mies”. (Beliebter Witz: “C’est pas mauvais, mais pas terrible, haha…”)