Update: 05.10.2019
Eifrig wuselndes Arbeiterheer auf englischem Rasen in Rabat
In Rabat waren wir bisher noch nie, so wie wir überhaupt einen Großteil der Atlantikküste bisher gemieden hatten. Zu touristisch erschien es uns dort.
In Rabat sind die Gegensätze außerdem extrem groß. Die südliche Hälfte der Stadt besteht aus Königspalast, großzügigen Parks, Golfanlagen und dem Diplomatenviertel; im Nordosten befinden sich die Bidonvilles, also die Slums, eine Müllkippe, Fischfabriken und Industrieanlagen. Beide Teile der Stadt sind säuberlich voneinander getrennt, wobei die Armen wohl eher die Grenzen überschreiten als umgekehrt. Sie immerhin kommen tagsüber in die Viertel der Reichen, um dort als Hausangestellte, Putzfrauen oder Gärtner zu arbeiten.
Sport machen mit schönen Farben!
Obwohl wir selbst auf der Sonnenseite des Lebens geboren wurden, staunen wir nicht schlecht, als wir in das Botschaftsviertel fahren. Das Marokko, das wir bisher kennen (oder zu kennen glaubten), sieht komplett anders aus. Statt laut, bunt und schmutzig, ist hier alles gediegen, gepflegt und geordnet: protzige Villen, gestutztes Golfrasengrün und üppige Blumenbeete. Die Damen und Herren Diplomaten fahren in klimatisierten Wagen bis vor den Carrefour Gourmet, den es hier selbstverständlich gibt. Auch Shoppingmalls mit Geschäften für Luxusmarken sehen wir; sogar Sushi essen wäre möglich. In dieser marokkanischen Parallelwelt werden wir also unsere nächsten beiden Tage verbringen.
Zuerst einmal gerate ich aber unter Spionageverdacht: Eigentlich möchte ich nur die Bougainvilleas fotografieren, die in wunderbar schrägen Rottönen über eine Mauer quellen. Ich habe aber noch nicht mal den Auslöser gedrückt, als aus allen Himmelsrichtungen Uniformierte auf mich zustürzen. „Nicht fotografieren!“, werde ich zurechtgewiesen. Hinter der etwa drei Meter hohen gemauerten Garteneinfassung und hinter dem Pflanzenwust befindet sich nämlich ein hochsensibles Objekt. Ich finde die Reaktion der vier Männer, die mich nun so plötzlich umringen, zwar ein bisschen übertrieben, aber ich bin trotzdem etwas eingeschüchtert. „Ich sehe hier gar kein Objekt! Nur eine Mauer. Und ich wollte doch nur die schönen Blumen fotografieren.“, stammle ich ängstlich. “Nein, auch das ist strengstens verboten!” Schnell packe ich mein Handy ein, schnappe mir Heppo, der gerade ein paar Meter weiter mit dem Pförtner der Botschaft von Ghana geplauscht hat, und – nichts wie weg hier.
Auf der mauretanischen Botschaft geht alles ziemlich unkompliziert vor sich, wenn auch mit großem Ernst. Wir müssen 690 MAD in der BMCE Bank nebenan einzahlen, sowie zwei Passbilder und eine Passkopie bereitstellen. Außerdem werden wir fotografiert und müssen alle Fingerabdrücke abgeben. Angeblich können wir schon morgen unsere Visa abholen.
Da das Fotografieren im Botschafterviertel nur zu Problemen führt, hier ein Bild von unserem Übernachtungsplatz, etwa 15 km von der Hauptstadt entfernt, an einem Stausee
Bei der Botschaft von Mali gleich nebenan ist die Stimmung deutlich lockerer. Die eine Sekretärin trägt ein buntgemustertes, pinkfarbenes Kleid mit einer großen Schleife am Rücken. Eine andere hört laut Musik mit ihrem Smartphone, dazu hämmert sie geräuschvoll auf ihre Schreibmaschine ein. Das ganze Konsulatsgebäude riecht toll nach Räucherwerk.
Hier gibt es offenes WLAN. Alle Wartenden zücken begeistert ihre Handys und surfen, hören Musik, telefonieren oder benutzen Sprachlern-Apps, dass es eine wahre Freude ist. Neben mir stillt eine Frau ihr Baby. Die Stimmung ist locker. Als nun auch noch Monsieur L’Ambassadeur herbeieilt, um seine deutschen Gäste persönlich zu begrüßen, sind wir fast schon ein bisschen verliebt in ein Land, das gerade leider eher negative Schlagzeilen produziert. Wir sind selbst am Zweifeln, ob wir wirklich durch Mali fahren wollen, aber von Mauretanien führt über Mali und die Elfenbeinküste der schnellste Weg nach Ghana, Togo und Benin.
Großspurig erteilt der Botschafter nun seinen Angestellten eine Lektion in Sachen Landespolitik. „Die Deutschen muss man gut behandeln.“, sagt er. „Sie waren die ersten, die Mali 1960, nach der kurzlebigen Konföderation mit Senegal, als eigenständigen Staat anerkannten.“
Da ich nun schon mal den Botschafter höchstpersönlich vor mit habe, versuche ich, ihn zu einer Einschätzung der Sicherheitslage im Land zu bewegen. Eilig breite ich meine mitgebrachte Mali-Landkarte vor ihm aus. Er zögert kurz, dann deutet er mit ausholender Geste auf den dreieckigen Nordteil des Landes, der seine Grenzen mit Mauretanien, Algerien, dem Niger und Burkina Faso teilt, und meint ernst „Das ist der Norden!“. Dann deutet er auf den halbrunden Teil im Süden, der an Mauretanien, den Senegal, Guinea und die Elfenbeinküste angrenzt und sagt deutlich beschwingter: „Das ist der Süden!“
“Super, das sehe ich doch selbst!”. Das sage ich zwar nicht, aber denke es mir. Ich grüble über seine Aussage nach und suche nach dem versteckten Sinn. Aber gerade als ich nachhaken will und ihn dazu drängen möchte, doch bitte etwas konkreter zu werden, ist er schon wieder verschwunden. Das Visum erhalten wir allerdings sofort innerhalb von nur einer Stunde, mit Multiple Entry und drei Monate Dauer, für 700 MAD pro Person (etwa 70 Euro).
Auch das Visum für Burkina Faso könnten wir in Rabat ausstellen lassen. Wir entscheiden uns allerdings dagegen, denn hier antwortet die Dame in der Schreibstube auf meine Frage nach der Sicherheitslage ganz direkt und eher ungehalten: „Auf diese Frage werde ich Ihnen keine Antwort geben!“
Monsieur L’Ambassadeur war also eigentlich gar nicht so unkonkret, und seine Andeutungen decken sich mit meinen bisherigen Recherchen. Den Norden Malis gilt es auf jeden Fall zu meiden, der Süden bis Bamako ist anscheinend relativ unbedenklich zu bereisen.
In der freien Natur ist Blumen zu fotografieren hingegen gestattet.
Zwei Visa und zahlreiche Informationen reicher, haben wir nach zwei Tagen alles in Rabat erledigt, was wir wir erledigen können. Noch einmal übernachten wir an dem nur 15 Kilometer entfernten Stausee Barrage Mohamed Ben Abdellah, der via Stadtautobahn bestens an das Verkehrsnetz der Hauptstadt angebunden ist. Dort errichten reiche Kuwaitis und Saudis prunkvolle Anwesen am Ufer. Dazwischen wohnt aber auch der einfache Bauer Hassan, der mit seiner Frau und seinem Sohn in einem sehr kleinen und sehr schlichten Steinhaus wohnt. Man könnte seine Behausung auch ärmlich nennen. Die Familie hat ein paar Kühe, ein paar Esel, Schafe, Ziegen und Hühner und einen kleinen, kargen Garten. Der Sohn immerhin hat Arbeit im Hafen von Casablanca. Hassan hätte wahrscheinlich allen Grund dazu, verbittert zu sein, weil er es nicht so gut getroffen hat wie die Diplomaten in Rabat, wie seine reichen Nachbarn aus den Ölländern oder wie die zwei Deutschen, die mit ihrem Wohnmobil einfach so die Welt bereisen. Aber Hassan ist gut drauf. Über zwei Stunden Zeit nimmt er sich für einen Plausch mit uns. Und obwohl er selbst noch nie eine Schule von innen gesehen hat, ist er der geborene Lehrer. Mit großer Hingabe bringt er uns einige arabische Wörter bei. Wir haben unglaublichen Spaß miteinander und lachen wie die Verrückten. Hassan hat nämlich auch noch komödiantisches Talent. Was wir nicht verstehen, spielt er uns einfach vor. Zum Wegwerfen komisch ist das. Als wir ihm etwas später ein ausgedrucktes Foto vorbeibringen, das ihn zusammen mit Heppo zeigt, bekommen wir sogar noch zwei Eier von seiner ebenso liebenswerten Frau geschenkt. Wir sind gerührt. Materielle Güter sind eben nicht alles. Auf das Herz kommt es an.
Was wir an arabischen Wörtern gelernt haben:
- Wasserkessel: Relais (wie der Schalter “Relais” bei Elektroinstallationen)
- Feuerlöscher: Tafaja La Háfia (mit Betonung auf dem “a” von Hafia)
- Ofen: Forno (Wie italienisch)
- Messer: Mousse (wie “Mousse au chocolat”)
- Tasse: Kess (wie in “Kessel”)
- essen (Verb): Cul (wie “cool”)
- Wasser: le ma
- gut/schön: mezziane (wie in “Messias”)
- Schule: Medrasa
- Bohnen: Lúbia (mit Betonung auf dem “u”)
- Nelke (Gewürz): Krämpfel (heißt echt so! Das “ä” etwas gedämpfter aussprechen, mehr ein zwischending aus a und ä)
- Oreganon: Sahtr (ein bisschen wie in “Satan”)
- Wind: le b(i)rr (das “i” nur ganz schwach aussprechen)
- Ein wenig/bisschen: schwia
- nichts: whalo
- Hallo, Guten Tag: Salam
- Danke: Schukran
- Lecker, gut wars, fertig gegessen: Besachah
- Auf Wiedersehen: B(e)slema
- Die Sprache: L’ora
- Deutsch: Alman
- Arabisch: Arabia
- Hund: Kelb
- Herz: Kalb
- Das ist es: Hedi
- Weg: Trek
- Wo ist…? : Fin kayn…?
- Genug/Schluss jetzt: Safi
- Du Heiliger: Baraka!
- Herr: Sidi
- (Alk.) Getränk: Shrb
- Tee: Atäi