Wir sind auf dem Weg nach Barcelona. Vorher aber packen wir uns noch den Kühlschrank voller französischer Spezialitäten. Vor allem Käse ist in unsere Kühlbox gewandert, den gibt es nämlich in Marokko nicht mehr zu kaufen. „La vache qui rit“ ist zwar überall erhältlich, aber mit echtem Käse hat das Kunstprodukt bekanntlich nichts zu tun.
Auf dem Weg durch Spanien erhalten wir eine Nachricht von Franky, die fast etwas schadenfroh klingt: „Der Lehm war nur ein Vorgeschmack. In Spanien ist fett Überschwemmung und Sturm. Auch auf dem Meer: Viel Glück!“
Mir wird schon etwas mulmig zumute, denn sonderlich seefest bin ich leider nicht. Unsere Fähre, die Splendid von GNV, hat ordentlich Verspätung. Statt um 10 Uhr morgens soll das Schiff nun erst am Nachmittag gegen 17 Uhr auslaufen. Wir nutzen den Zwangsaufenthalt in Barcelona für einen Ministadtbummel, ein paar Meter die Ramblas rauf und runter. Oh, wie schön ist doch Barcelona!
Beim Warten im Hafengelände haben wir unseren Spaß. Wir sind die Hauptattraktion einer geführten Motorradreisegruppe aus Deutschland. Wir werden über Frau Scherer und unsere Reise ausgefragt und geben bereitwillig Auskunft.
Endlich dürfen wir auf die Fähre. Heppo packt noch schnell eine Stofftasche voller Käse und Baguette für uns ein, denn wir werden etwa 31 Stunden auf dem Boot sein. Aus Gründen der Kostenersparnis haben wir weder eine Kajüte noch Verpflegung gebucht. Nur einen sogenannten Pullman-Sessel dürfen wir beziehen. Hoffentlich können wir Sidi mit aufs Boot nehmen! In einen dieser Käfige an Deck neben dem Motorraum stecken wir ihn nämlich auf keinen Fall.
Bei den Pullman-Sesseln herrscht allerdings absolutes Hundeverbot. Wir drücken uns mit Sidi möglichst unauffällig durch die Gänge auf der Suche nach einem guten Platz mit Hundeversteck. Im hintersten Winkel des Schiffes finden wir schließlich einen großen Ruheraum, in dem sich außer uns nur wenige marokkanische Männer aufhalten. Mit Sidi beziehen wir einen Zweiersitz in der Ecke. Obwohl die Marokkaner nicht gerade bekannt für große Hundeliebe sind, tolerieren alle unseren tierischen Begleiter oder sehen zumindest dankenswerter Weise über seine Anwesenheit hinweg. Sidi ist auch wirklich kein Vorwurf zu machen: Er macht es sich sehr unauffällig zwischen den Sitzen bequem und verhält sich absolut ruhig. Auch wir versuchen ein bisschen zu schlafen. Erst jetzt verstehen wir, warum die Männer sich alle einzeln auf die mehrsitzigen Reihen in der Mitte des Raumes verteilt hatten. Die waren einfach deutlich schlauer als wir. So haben alle einen Schlafplatz, an dem sie ausgestreckt liegen können. Wir drehen unsere Sitze zurück – das Maximale an Bequemlichkeit herausholend – seufzen ein wenig voller Selbstmitleid und versuchen trotz allem, die Augen zu schließen.
Aber da ist noch etwas, was massiv stört: Der ganze Raum „kaaselt“. Erst habe ich die Männerfüße in Verdacht, bis ich merke, dass der unangenehme Gestank von uns ausgeht, genauer gesagt, von unserer Provianttasche mit den französischen Käsespezialitäten. Sehr, sehr peinlich! Und das Schlimmste ist, dass wir plötzlich beide überhaupt gar keinen Appetit mehr auf Käse haben. Erschien uns dieser, bis vor wenigen Stunden, noch wie die himmlischste aller Offenbarungen, so finden wir jetzt, dass er einfach nur höllisch nach Verwesung riecht.
Kleiner Exkurs: Was in einem Land sehr lecker ist, schmeckt im nächsten oft schon gar nicht mehr. Essen hängt wohl doch viel mehr mit der Luft, der Sonne, der Umgebung und anderen externen Faktoren zusammen, als uns allgemein bewusst ist. Auf jeden Fall, können wir seit der Fähre keinen Käse mehr essen. Das Milchprodukt passt einfach nicht zu Marokko. Kleine Ausnahme allerdings: Der zuvor von uns verachtete Hartkäse aus Spanien lässt sich hier noch einigermaßen gut genießen. Der letzte französische Weichkäse, den wir allein aus Pietätsgründen weiterhin in unserem Kühlschrank aufbewahrt hatten („Wir haben doch so viel Geld dafür ausgegeben!“) wanderte erst vor kurzem in die Mülltonne der omanischen Botschaft in Rabat. Allerdings habe ich seither schon ein wenig die Befürchtung, dass ich deshalb unter Terrorverdacht geraten könnte …
Aber zurück zum Schiff:
Die Überfahrt war zum Glück ruhig. Wir fasteten ein bisschen, was uns nicht geschadet hat. Unsere armen Mitreisenden im Gemeinschaftsraum litten wahrscheinlich unter unserer Anwesenheit (Hund dabei – kiloweise Stinkkäse dabei – und dann pennen die Deutschen nachts sogar noch auf dem Fußboden!). Sie waren aber viel zu höflich und zu nett, um sich zu beschweren. Und das Schiff hat zuletzt sogar noch etwas Zeit eingefahren (29 statt 31 Stunden Überfahrt).
Ende gut, alles gut. Alle gehen glücklich und erleichtert von Bord.
Salam, Marokko!