2014-04 RO-02 Karpaten


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Esel

Mittwoch, 30.04.2014
Die Internet- und Telefonrecherche bezüglich unserer Einspritzpumpe ergibt, dass in 90% aller Fälle die Förderpumpe die Schuld trägt. Das wäre zwar schon schlimm genug, aber dann doch noch relativ einfach zu beheben. Da wir trotzdem Strecke machen müssen, bestellen wir das Teil beim Bosch-Dienst in Regensburg, Deutschland, und lassen es uns an eine DHL-Station in Warschau schicken. Mal sehen, ob das klappt. Momentan fährt die Karre, aber sie verliert leicht Diesel an der Einspritzpumpe. Heppo, der die meiste Zeit fährt, beklagt einen Leistungsverlust.

Da wir auch endlich mal was von den Karpaten und Rumänien sehen möchten, parken wir in einem tristen Ort mit Wildwest-Holzfäller-Stimmung namens Brezoi (südlich von Sibiu/Hermannstadt) am Dorfplatz. Dort finden wir auch gleich ein Wanderschild. Den 4-5 Stunden Wanderweg (leider keine Rundwanderung) möchten wir morgen gehen.

Ich muss natürlich nicht erwähnen, dass es pünktlich mit der Ankunft an unserem Zielort wieder zu regnen begonnen hat. Auch Heppos Versuch, eine örtliche Dorfkneipe anzusteuern bleibt ohne Erfolg. In Brezoi ist ab 22 Uhr kein S… mehr unterwegs, nicht einmal mehr  die Straßenhunde.

Donnerstag, 01.05.2014
Bin stolz auf uns. Fast pünktlich gegen halb neun gehen wir los (ausgemacht war acht). Der Weg beginnt sehr vielversprechend, erst vom Parkplatz über eine Brücke, dann durch ein etwas ärmliches Hüttendorf mit Spießrutenlauf durch den „Hundeparcours“, immer an einem Bächlein entlang bis zu einer schönen Wiese mit bizarren Berg- und Felsformationen. Das Gestein der Felsen sieht aus wie verschmolzen, und im Bach glitzern der Glimmer und Gneis. Die Landschaft ähnelt der des Bayrischen Waldes. Leider blüht es nicht so toll, wie uns der Reiseführer versprochen hat. Dafür sehen wir mehrere Feuersalamander. Sogar die Sonne kommt raus. Leider gibt es nun weit und breit keine Wandermarkierung mehr, das Rote Kreuz auf weißem Grund wurde zuletzt beim Einstieg in den Weg gesichtet. Aber wir finden ein rotes X. Auch gut! Weiter geht’s den Bach entlang, mit zahlreichen Querungen. Der Laubwald verdichtet sich, und die Felsen links und rechts werden zunehmend steiler. Langsam wird der Weg anspruchsvoll – und wir landen in einer Sackgasse. Das kann nun unmöglich der Wanderweg sein, der mit einem Höhenunterschied von nur 40 (!) Metern angegeben wird. Wir haben sicher etwas übersehen. Zurück zum letzten Abzweig und dem zweiten Bachlauf gefolgt. Wieder geht das eine Weile gut; eine Markierung gibt es aber auch hier nicht, bis die Situation wie zuvor ist. Also erst mal zurück zur Wiese, Brotzeit, und da heute der 1. Mai, also Tag der Arbeit ist, spendet jeder von uns dem benachbarten Ameisenhaufen Essen. Vom Heppo und Sidi gibt es ein Hundeleckerli in Knochenform, vom Matthias ein kleines Stück Weißbrot und von mir eine gekochte Karotte. Die Ameisen haben nun ganz schön was zu tun, und wir beobachten eine Weile, wie wir ihnen den Feiertag vermiest haben. Aber halt, es sind ja Ameisen, die arbeiten immer . Und schon sehen wir, wie sie eine sich standhaft wehrende Made herbeizerren. Fies!

Wir probieren noch eine dritte  Abzweigung, wieder am Bach entlang, und landen vor einem meterhohen Wasserfall ohne Weiterkommen.

Matthias erklimmt einen der Steilhänge und kommt atemlos zurück: „Da oben ist die Aussicht traumhaft. Es gibt sogar einen Pfad, nicht ganz einfach, aber kommt mit!“

Habe ich schon erwähnt, dass ich unter fürchterlicher Höhenangst leide? Sobald ich an einem Abgrund stehe, egal ob es zwei Meter oder 100 Meter nach unten geht, dreht sich alles vor mir, meine Muskeln versteifen und ich kann mich nicht mehr normal bewegen. Dann beginne ich zu schwitzen und panisch zu werden. Als wir also diesen Steilhang erklimmen, stehe ich unvermittelt neben einem 15 Meter Abgrund, und der Pfad ist nur noch einen Fuß breit. Kein Problem für einen erfahrenen Alpinisten oder einen Zimmermann, der täglich über Balken balancieren muss, für mich aber quasi Todesangst! In meiner Panik beginne ich lieber senkrecht den Steilhang hochzuklettern, als am Abgrund entlang zu gehen. Das ist sicher ein Fehler, aber der Abgrund im Rücken ist mir lieber. Und so ziehe ich mich mit Schnappatmung den Berg hinauf. Wenigstens ist Heppo hinter mir, und irgendwann sind wir oben. Wir sitzen auf einem schmalen Grat. Links und rechts geht es steil bergab. Ich trau mich hier nicht mal aufzustehen und kann es nicht fassen, dass wir diesen Steilhang heraufgekommen sind. Verrückt! Die Aussicht kann ich ebenfalls nicht genießen. Wie soll ich hier jemals wieder runter kommen? Matthias erkundschaftet uns einen Alternativabstieg, über einen mittelsteilen Laubhang. Das geht. Endlich sind wir wieder unten am Bach. Ich lebe noch! Hurra! Doch als wir am Bach entlang zurück gehen, stehen wir plötzlich oberhalb des Wasserfalls. Der Weg daran vorbei führt nur wieder am Hang entlang und ironischerweise genau zu meiner Angststelle. Es hilft nichts, wir müssen daran vorbei. Von einem plötzlichen Fatalismus erfasst, ergreife ich die Wanderstöcke und meinen letzten Rest Mut und setze stoisch Fuß vor Fuß, den Blick in den Abgrund vermeidend. Juhu, geschafft! War gar nicht so schlimm! Anscheinend war das für heute meine persönliche Lektion: Stellen Sie sich Ihren Ängsten, Teil 1: Höhenangst. Ich verleihe mir selbst den kleinen Alpinistenorden und sende ein Dankgebet zum Himmel. In solchen Momenten werde ich gerne katholisch!

Wir fahren noch ein paar Meter weiter, weil wir nicht noch mal in diesem unsympathischen Ort verweilen wollen. Jetzt lasse ich an dieser Stelle noch mal kurz Dampf ab: Da haben sie hier ein riesiges Wander-Infozentrum (das natürlich noch zu ist), bunte Wanderschilder und wichtige Broschüren für den Nationalpark Cozai, aber ohne nennenswerte Information.  Was man erfährt, klingt ungefähr so:  “Hier gibt es tolle Natur, viele Tiere und seltene Pflanzen, uralte Traditionen, blablabla…“). Aber  sie sind dann doch zu doof, um Wanderwege zu markieren – wenn es diese Wege denn jemals gegeben haben sollte. Aber klar, die Logos auf dem Wanderschild beweisen es! Da hat die EU Fördergelder gegeben, und davon wurden ein Infozentrum gebaut, eine Tafel aufgestellt auch noch ein paar Flyer gedruckt. Für Spraydosen und Wanderwegmarkierungen reicht es halt dann nicht mehr. Das kennen wir schon vom Al-Hoceima Nationalpark aus Nord-Marokko, wo wir zwei Tage lang durch das Riff irrten. Aber gut jetzt. Ich lebe!

Freitag, 02.05.2014
Eigentlich wollten wir heute noch einmal einen Lagertag einlegen. Aber freundliche Rumänen informieren uns, dass der  aktuelle Wetterbericht  ab 14.00 Uhr für die Karpaten und Südrumänien mindestens 36 Stunden lang „heavy rain“ prognostiziert. Das miese Wetter scheint uns zu verfolgen, daher disponieren wir um und legen einen Fahrtag ein bis kurz vor Turda. Matthias bekommt eine LKW Fahrstunde und steuert uns in einem Affenzahn gen Norden. Ich kralle mich zwei Stunden lang an Heppo und Beifahrertür fest. Aber da ich mir geschworen habe, meine Klappe zu halten, sage ich lieber nichts dazu. Die ganze Fahrt über sehen wir hinter uns Blitze und schwarze Wolken. Und einmal sind wir auch kurz mittendrin: Hagel, Wolkenbruch, Blitz und Donner. Wir halten in einer irisch anmutenden Landschaft – grüne Hügel und Schafherden – bei einem Ort, der Stejeris (sprich Steierisch) heißt. Dem Unwetter sind wir für heute noch einmal davon gefahren.

Samstag, 03.05.2014
Am Morgen ist es richtig heiß, aber schon nahen wieder die ersten Wolken. Ich denke langsam, es liegt an uns. Fahrtag bis kurz vor Satu Mare, in der Nähe der Ortschaft Sandras, auf einer Weide am Berg. Hier sieht es ein bisschen aus wie daheim,  am Münchshofener Berg. Morgen wollen wir zum Tanken in die Ukraine (hier weiter lesen) und auch gleich wieder ausreisen. Das bedeutet einen frühen Start in den Tag. Gute Nacht!

Weiter lesen: Ukraine

Das war vorher: Südostrumänien