Das Packen vor dieser Reise dauert diesmal ewig. Irgendwie werden wir nicht fertig, und wir nehmen viel zu viele unnütze Dinge mit. Dann fahren wir gegen 13 Uhr endlich von unserem schönen Wagenplatz in Regensburg los und nehmen Abschied von den “Gänsen”: Menschen, die wir erst seit kurzem kennen, die aber sehr wichtig für uns geworden sind.
Unser erster Übernachtungsplatz ist der Großhamersee bei Rosenheim! Es liegt Schnee, und es ist richtig Winter, nicht so matschig wie in Regensburg. Unser Hund Sidi – alias Sidrich – findet Schnee lustig. Es ist sein erster und vielleicht auch der letzte für dieses Jahr!
Am nächsten Morgen passieren wir Österreich, Das Wetter ist sonnig und es liegt kaum Schnee. Wir wollen uns die Vignette sparen, fahren Landstraße und verfransen uns rund um Innsbruck, auf Neben-Bergstrecken. Heppo flucht. Das neue Navi ist orientierungslos.
Auf der anderen Seite der Alpen ist es gleich noch mal sonniger und auch wärmer.Wir übernachten bei Verona an der Raste. Die Dose Bier kostet hier 3,50 Euro!
Kurz vor Genua fahren wir durch eine schöne, kurvenreiche Strecke durch eine Berglandschaft mit vielen Brücken. Schon am Nachmittag um 15 Uhr stehen wir bereits in Genua in der Warteschlange zur Fähre „Grand Navi Veloci“, mit vielen überladenen weißen Lieferwagen. Hier ist jeder Zentimeter Stauraum ausgenutzt: Händler exportieren Waren, italienische Marokkaner fahren über die Weihnachtsferien zur Familie und bringen zentnerweise Geschenke mit. 90% der Reisenden sind Marokkaner.
Die Fähre geht erst um 23.00 Uhr statt um 20.00 Uhr! Wir warten, kochen und erledigen die Formalitäten: Italienischer Zoll und Polizei. Ich stehe zwischen marokkanischen Männern in der Warteschlange! Heppo tätigt noch Hamsterkäufe im italienischen Supermarkt.
Endlich sind wir auf der Fähre.
Der erste Schock ereilt uns, als wir erfahren, dass wir unseren Hund nicht, wie im Reisebüro erfragt und im Internet nachrecherchiert, mit auf das Zimmer nehmen dürfen, sondern in einem Käfig, oben an Deck, einsperren sollen. Voll bepackt rennen wir durch das Schiff und können aber den angeblichen Petsroom nicht finden. Heppo ist ziemlich verärgert. Als wir wiederholt mit Hund, Gepäck und saueren Mienen an der Schlüsselausgabe vorbeistampfen, händigt man uns kurzerhand die Karte für das Zimmer aus und bedeutet uns schnell, mit demHund auf unsere Kabine zu gehen. Super, Sidrich darf mit auf das Zimmer!
Unsere Kabine ist eng, muffig, verkratzt, und – was am Schlimmsten ist – sie ist fensterlos!
Der zweite Schock: Wiederholt fordert eine quäkende Frauenstimme per Durchsage in schlechtem Englisch und Französisch dazu auf, sich in der Diskothek einzufinden, um die Formalitäten mit marokkanischem Zoll und Polizei zu erledigen. Wir haben allerdings den Fahrzeugschein, die „carte grise“, im Wagen vergessen und können diese erst in fünf Stunden holen, wenn wir in Barcelona anlegen.
Der Nachmittag vergeht kurzweilig an Deck mit Hundespaziergängen. Dabei treffen wir die anderen Hundebesitzer, die fast alle ihre Hunde mit auf das Zimmer schmuggeln. Wir grüßen uns mit verschworenem Kopfnicken.
Es ist lustig zu beobachten, wie das Schiff schnell von den Marokkanern nach deren Bedürfnissen umgestaltet wird. Um den leeren Swimmingpool formt sich ein marokkanischer Männertreff. Hier werden süße Zigaretten geraucht und Karten gespielt. Es wirkt ein bisschen wie im Gefängnis.
Die Ankunft in Barcelona bei Sonnenuntergang ist ein Schauspiel. Die Stadt präsentiert sich von der Hafenseite her, als bunte Metropole mit architektonisch herausragenden Gebäuden. Die berühmte Seilbahn schwebt genau über unseren Köpfen. Mit zunehmender Dunkelheit erhellen Lichter die Gebäude und Straßen der Metropole. Wir sehen zu, wie Autos, Wohnmobile und Lastwagen aus dem Schiffsbauch herausfahren und neue dazu kommen. Die Schiffsarbeiter schmuggeln in letzter Sekunde noch unverhohlen zwei Personen durch den Absperrzaun auf das Schiff. Erst dann geht es weiter. Wir hätten Lust in Barcelona Zwischenstopp zu machen, die Stadt sieht viel versprechend aus.
Am Abend dann, bei starkem Seegang, Schlange stehen für Zoll und Polizei in der Disko. Die Disko “New York” ist genauso heruntergekommen wie der Rest des Schiffes, in schwarz und verspiegeltem achtziger Jahre Schick gehalten. Das Prozedere: Erst muss man sich an der ganzen Schlange vorbei nach vorne drängen, um von einem joggingbehosten Polizisten das grüne Einreiseformular zu erhalten, um sich dann wieder hinten anzustellen. Die ganze Schlange schwankt mit dem Schiffsgang von links nach rechts. Ich kaue Pepgums, die wirklich gegen Seekrankheit helfen. Nach einer halben Stunde stelle ich fest, dass ich in der falschen Schlange stehe. Zuerst müssen weiter rechts die Personalausweise von einem Uniformierten abgestempelt werden. Dann geht es wieder zurück in Schlange eins, zu Monsieur Tennissocke-Jogginghose. Ich bitte um sechs Monate Visum für den Laster (immer besser – für den Fall, dass es mit dem Auto Probleme gibt). Die Polizisten sind beeindruckt davon, dass ich LKW fahre und dass wir einen Oldtimer besitzen. Ohne Probleme bekomme ich das Autovisum, „bis Juni 2012“.
Schock drei: Ich stelle fest, dass mein Führerschein fehlt und – noch schlimmer – meine Kredit- und Maestrokarte. Im Geldbeutel sind die Karten auf jeden Fall nicht! Vielleicht im Auto, aber da komme ich erst wieder ab Marokko ran.
Der nächste Tag auf See ist bilderbuchmäßig sonnig und windig, der Seegang moderat. Wir sitzen zu dritt auf Deck, und ich lese “Homo Faber” komplett durch. Das Buch passt hervorragend zu einer Schiffsreise, und mit Homo Faber reise ich von New York nach Frankreich via Schiff, auf dem er seine Tochter kennenlernt, die einen roten “Roßschwanz” trägt und später im Buch an einem Schlangenbiss sterben wird. Sehr schön und sehr traurig, wie ich finde.
Vor uns ist plötzlich Afrika – Tanger!